Nach einer gefühlt endlosen Odyssee durch den deutschen Bürokratiedschungel war es Mitte Juli endlich so weit: Wir konnten zum Start unserer Weltreise wieder mit unserem DIY Wohnmobil losfahren. Die Entscheidung für unser erstes Reiseziel fiel – wie so oft bei uns – ziemlich spontan. Erst am Vorabend stand fest: Es geht ins Baltikum!

Unser Vanlife Baltikum Abenteuer beginnt – und wir könnten nicht gespannter sein. Lange hatte uns die Wärme und Sonne Spaniens gereizt, doch diesmal zog es uns in den Nordosten Europas. Eine bewusste Entscheidung für etwas Neues: eine Reise mit dem Wohnmobil ins Baltikum. Und mit ihr jede Menge Vorfreude auf unberührte Natur, neue Kulturen und ganz viele frische Erfahrungen im Camper.


mit dem Camper ins baltikum – ein holpriger start

Eigentlich wollten wir schon 2019 auf der Rückfahrt vom Nordkap durchs Baltikum reisen – aber wie so oft fehlte einfach die Zeit. Also jetzt! Gut 2.000 km lagen vor uns, bis in den Norden Estlands – ein ganzer Monat Zeit. Danach warteten noch ein paar letzte Termine in Deutschland auf uns, bevor wir endgültig ins Vollzeit-Vanlife starten würden. Erwartungen? Hatten wir ehrlich gesagt kaum. Wir wussten nur: viel Natur, relativ günstige Preise – und Freistehen mit dem Camper soll zumindest teilweise erlaubt sein.

Also noch schnell einen Blick auf die Packliste geworfen, ein paar warme Pullis in den Kastenwagen geworfen – und los ging’s!

Polen – holpriger Start ins Vanlife

Uns zog es direkt in den Norden – die Regionen, die wir beim Durchfahren in Polen zu Gesicht bekamen, konnten uns ehrlich gesagt nicht begeistern. Im Nachhinein erfuhren wir: Wir sind durch die ärmsten und unschönsten Ecken gefahren und haben die Highlights nichts ahnend ausgelassen. Klarer Fall von: Wir kommen wieder! Beim nächsten Mal mit Tipps von polnischen Freunden – denn grade das Vanlife in Polen soll in den richtigen Gegenden ein echter Traum sein. Ein echtes Warm-up fürs Vanlife Baltikum – das echte Freiheitsgefühl wartete aber erst hinter der nächsten Grenze.


Litauen – erster Vorgeschmack aufs Vanlife Baltikum

Unser erster Abend in Litauen, unserem ersten Reiseland auf unserer Route durchs Baltikum war direkt magisch: Ein Stellplatz am See mit Sandstrand, mitten im Wald. Wir kamen pünktlich zur goldenen Stunde an – der See leuchtete in goldenem Abendlicht. Aufatmen. Ankommen. Ein Bierchen am Strand – aufs Leben.

Im laufe der nächsten Tage zeigte sich Litauen sowohl von seiner nordischen Seite: steife Brise, viel Regen – aber auch von seiner wunderschönen: weißer Sand, hohe Dünen, wilde Natur. Und überall Störche – auf fast jedem Strommast ein Nest. Wir verbrachten die Tage mit langen Strandspaziergängen, Bernstein suchen (aber nicht finden) und langsam im Reisealltag ankommen.


Lettland – Freistehen mit wilden Momenten

Wir fuhren gemütlich weiter gen Norden – und zack, waren wir in Lettland. Auch hier: Regen, Wind, Kälte. Aber: einsame Dünenplätze, Johannisbeeren am Waldrand, eingekuschelt im Bus – ein Traum zum Freistehen. Beim Beerennachschub entdeckten wir plötzlich Tierspuren rund um unseren Van. Nach etwas Recherche war klar: Die Wölfe waren neugierig geworden. Und wir auch.

Am nächsten Morgen dann: Sonne satt! Der Wind hatte sich gelegt und wir sahen endlich, wo wir standen – an einem fünf Kilometer langen, schneeweißen Sandstrand, fast menschenleer. Während an der deutschen Ostsee Gruppenkuscheln angesagt ist, hatten wir hier absolute Ruhe. Wir sprangen in den Sand, futterten Wassermelone und genossen das Vanlife Baltikum in vollen Zügen. Brot backen im Omnia, Apfelmus aus Wildäpfeln, essbare Pilze sammeln – wir fühlten uns frei, geerdet und verbunden mit der Natur.

„Laundry today or naked tomorrow“ – Erfahrungen mit der Wäscherei

Einzig unser Wäscheerlebnis im Waschsalon in Riga bringt uns kurzzeitig auf den Boden der Tatsachen zurück. Die resolute Dame im Waschsalon ließ sich nicht davon abhalten all unsere Wäsche in den Trockner zu werfen. So kann man auch aussortieren. Nur leider ungünstig wenn man das bereits bis auf einige wenige Lieblingsteile getan hat. Wir üben uns also in Akzeptanz und probieren unsere Klamotten wieder in die Länge und Breite zu ziehen. Auch das gehört zum Vanlife dazu.

Nach unserem Wäscheerlebnis finden wir einen wundervollen Platz zum Freistehen irgendwo im Nirgendwo, wo sich tatsächlich Fuchs & Haas gute Nacht sagen. Wir denken die zwei Babyfüche würden zumindest gern dem ein oder anderen Häschen „Gute Nacht“ sagen. Wir stehen mit dem Camper an einem See mit Lagerfeuerstelle. Zeit für die klischeehafte Vanlife Baltikum Szenen. Aber unser Mercedes 307d macht sich auch zu gut am Lagerfeuer. Außer ein paar Locals, welche sich nachts noch im See abkühlen möchten, kommt nur ein Krebsfischer vorbei. Welcher uns zu Beginn skeptisch beäugt. Als er feststellt, dass wir keine Polizei sind, erzählt er uns grade heraus, dass seine Fischerei illegal sei und nimmt uns mit und zeigt uns die besten Krebsfischtaktiken. Wir lachen viel und schlüpfen müde, glücklich und wie Brathähnchen stinkend in unser Bett. Am nächsten Tag unterhalten uns einige Jugendliche, die ihre mitgebrachte 1,5l Vodkaflasche bei voll aufgeschrubter Musik im Auto sitzend genießen. Nach Abfahrt unserer Nachbarn genießen wir wieder die Ruhe.


Unser Herzensland Estland – Vanlife Baltikum Pur

Wir hatten uns noch auf lettischer Seite mit zwei super netten Campern am Strand verquatscht, wollten aber noch am gleichen Tag mit dem Wohnmobil nach Estland fahren. Am Morgen hatten wir unseren letzten 20l Reservekanister eingefüllt um noch auf die estnische Seite zu kommen, da hier der Sprit günstiger sein sollte. Die Tanknadel zeigte noch 1/4 voll an als wir losfuhren. Die nächste Tankstelle in 32km. Easy. Grade als wir über die Grenze nach Estland gefahren sind, meint Flo plötzlich „Fuck, der Tank ist leer – der Motor geht aus“. Mit den letzten Tropfen Diesel im Tank unseres Kastenwagens rollen wir noch in einen Waldweg.

Die Tankanzeige war offensichtlich wieder defekt, jippi. Schon früher hatten wir Probleme mit unserer Tankanzeige, allerdings dachten wir diese sein behoben. Die Tanknadel fiel als mal wieder von 1/4 auf 0, der Motor ging direkt aus. Es war gleich Mitternacht. Und wir standen mit dem Camper super schräg mitten auf einem Waldweg. Also Rundumbeleuchtung anschalten und langsam zurückrollen an die Seite der Straße. Halbwegs eben. Die nächste Tankstelle auf estnischer Seite ist noch 23km entfernt, auf lettischer Seite ist die nächste 10km zurück. Es war dunkle Nacht. Wir entschieden uns am Straßenrand mit unserem Van stehen zu bleiben und dort zu schlafen. Um mit dem Sonnenaufgang aufzustehen und mit dem Rad loszufahren. Freistehen am Straßenrand in Lettland – kein Problem. Auch wenn es schönere Vanlife Stellplätze im Baltikum gibt.

Mit dem Fahrrad über die Grenze

Zurück nach Lettland. Mit dem Rad und einem 20l Kanister auf dem Rücken. Wir sind noch vor 08:00 Uhr am Folgetag wieder mit dem Wohnmobil unterwegs. Mit händisch nachgepumpten Kraftstoff gehts eben locker wieder weiter – auf direktem Weg zur nächsten estnischen Tankstelle. Erstmal volltanken inklusive aller Kanister, für´s gute Gefühl. Haben wir also den Klassiker auch mal mitgenommen, Tank leer gefahren, auf der Straße geschlafen und zur Tanke geradelt. Ab jetzt wird der Notkanister nicht mehr angetastet. 

Nach der Tankstelle, fahren wir direkt an einer schwedischen Bäckerei vorbei. Estland so überzeugst du uns, mit heißem Kaffee und überragenden Zimtschnecken! Überhaupt erinnert uns Estland eher eine Mischung aus Schweden, Norwegen und Finnland. Wir nennen es ab sofort „Little Sweden“ und sind ganz verzaubert von den süßen Häuschen in den schönsten Farben. Wir haben das erste Mal auf dieser Reise das Gefühl, irgendwann könnten wir hier vielleicht ankommen. In einem dieser Häuschen mit Windfang davor. Im Garten ein paar Obstbäume und ein kleines Gemüsebeet. Wir kommen ins Träumen, philosophieren und verlieben uns Stück für Stück mehr in dieses schöne Land. 

RMK Stellplätze – Wild campen in Estland

Vanlife im Baltikum heißt auch: RMK-Stellplätze in Estland. Diese kostenlosen Naturplätze mit Feuerstellen und oft sogar Deluxe-Grills sind ein Traum. Nur an Wochenenden wird’s voll – auch Esten lieben das Wildcampen.

Wir stehen an Stränden, in verwunschenen Wäldern und an spiegelglatten Seen. Sammeln Heidelbeeren, Pfifferlinge und Steinpilze – alles wird frisch verarbeitet. Vanlife Baltikum bedeutet hier: pure Naturverbundenheit.

Tallinn – Hipster-Herzen aufgepasst

Doch nicht nur Natur kann Estland, Tallinn lässt unser kleines Hipster-Herz höher schlagen. Das Creative Viertel überrascht uns mit urbanen Cafés, nachhaltigen Boutiquen, zahlreichen Vintage und Second-Hand-Shops und einer unglaublich entspannten Atmosphäre. So schlecken wir zuckerfreies Eis aus dem Biomarkt, schlendern durch die bunten Markthallen, füllen unseren in Lettland dezimierten Kleiderschrank wieder mit Vintageschätzen auf, essen usbekisch und genießen noch ein Bier in der hippen Bar bevor wieder dem Citylife wieder den Rücken kehren und zurück in die Natur fahren. Vanlife Baltikum kann also sowohl Stadt als auch Natur, für uns gibts keine bessere Mischung.

Vanlife Baltikum mit unerwarteten Überraschungen

Die Rückfahrt naht. Am letzten Abend wollen wir nochmal ans Meer – ein letzter Spot, direkt in den Dünen. Erste Matschlöcher? „Gas und durch“. Sechs Matschlöcher meistert unser Wohnmobil mit Heckantrieb. Doch das letzte wird zum Verhängnis: Wir stecken fest. Und wie.

Beim Versuch zu unterfüttern, steht Jenni knietief im Moor. Ups, wohl doch nicht nur ein Matschloch. Der High Jack, unser Gelände-Wagenheber versinkt samt der unter gelegten Bretter einfach im Morast– zu weicher Boden. Gerade als wir die Sandbleche vorbereiten, kommt Hilfe: eine Anwohnerin im Dodge Ram zieht uns raus. Ihre Nummer lässt sie da – „falls ihr nochmal stecken bleibt“.

Festgefahren in Estland – Vanlife Lektion gelernt

Wie wir später erfahren sind auch die beiden 4×4 Fahrzeuge die schon am Strand stehen im selben Matschloch oder sogar schon früher stecken geblieben. Da sind wir doch fast ein bisschen stolz, auf unseren Campervan mit seinem Heckantrieb. Nur vor dem Rückweg graust es uns ein bisschen, vor allem als wir sehen wie ein Allrad-Geländefahrzeug in unserem Matschloch zweimal ordentlich aufsetzt.

Der Plan für den nächsten Morgen, den Rückweg wird geschmiedet – Jenni läuft am nächsten Tag mit den 50kg Sandblechen vor und unterfüttert immer wieder die kritischsten Stellen. Gesagt getan. So kommen wir den Rückweg am nächsten Tag ohne einmal festfahren durch. Auch wenn Jenni irgendwie angestrengt aussieht, nach ihrem Marsch mit Gewicht. Wir sind froh, all unser Bergungsequipment in „sicherer und zivilisationsnaher“ Umgebung getestet zu haben und so zu wissen was wir abseits jeglicher Hilfe anders machen würden beziehungsweise in welcher Reihenfolge wir beim nächsten Mal anfangen. Vanlife Baltikum zeigt uns: Vorbereitung ist alles.


Fazit: Vanlife Baltikum – Natur, Freiheit & ein bisschen Abenteuer

Unsere Vanlife Reise durchs Baltikum mit dem Wohnmobil war eine echte Überraschung – im allerbesten Sinne. Ohne große Erwartungen gestartet, wurden wir belohnt mit weiten Stränden, wilden Wäldern, herzlichen Begegnungen, urigen Städten und der wohltuenden Freiheit des Freistehens. Zwischen Lagerfeuer, Blaubeeren und Offroad-Matsch haben wir nicht nur drei neue Länder entdeckt, sondern auch wieder ein Stück mehr uns selbst.

Klar, nicht immer läuft alles nach Plan – mal geht der Diesel aus, mal steckst du mit dem Van im Moor. Doch genau diese unperfekten Momente machen das Vanlife für uns so besonders. Sie fordern uns heraus, lassen uns wachsen und schenken uns Geschichten, die wir nie vergessen werden.

Das Baltikum hat sich für uns als echter Geheimtipp für Camper und Vanlifer entpuppt – besonders, wenn man abseits der üblichen Routen unterwegs ist. Und wer weiß, vielleicht war das hier nicht nur der Start unserer Reise, sondern auch der Anfang einer ganz besonderen Verbindung.

Eins steht jedenfalls fest: Wir kommen wieder. Mit mehr Diesel im Tank, trockener Wäsche – und ganz viel Vorfreude im Gepäck.


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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Birgit

    Oh, wie wunderschön geschrieben. Lieben Dank für’s wegträumen lassen. Wird aber sicher kein Traum bleiben !!
    Euch alles Liebe 😊