Wir verlassen die EU mit dem Camper

Ein bisschen aufgeregt sind wir ja schon. Gleich ist es soweit. Wir verlassen mit unserem Mercedes 307d Oldtimer-Wohnmobil die EU. Als wir Ende 2019 die Reise planten, gingen wir davon aus, wir wären im September 2021 bereits in Indien oder vielleicht auch schon in Nepal. Aber da bekanntlich alles anders kommt als gedacht, fahren wir im September 2021 mit einer Menge Hummeln im Hintern eben über die bulgarisch/türkische Grenze. Vanlife Türkei, wir kommen.

Und ja wir sind nervös, es kribbelt im Bauch und wir wollen nichts falsch machen. Wir fühlen uns wie Reise-Newbies ohne jegliche Erfahrung, obwohl wir das wirklich nicht mehr sind. Also bereiten wir schon mal alle Papiere zum Grenzübergang zur Türkei vor. Die grüne KFZ-Versicherungskarte, welche die gesamte Türkei abdeckt, den Fahrzeugschein, die Reisepässe und natürlich C-bedingt alle nötigen Einreisedokumente. 

Im Vornherein haben wir uns von Freunden bereits aufklären lassen, dass bei der Einreise in die Türkei das Fahrzeug von aussen desinfiziert wird und dafür eine Gebühr von drei bis fünf Euro fällig ist. Auch der Dicke wird „desinfiziert“, zumindest erreicht ein kläglicher Strahl aus der Anlage die Felgen. Wir haben Glück, an diesem Tag wird keine Gebühr erhoben. 

Natürlich ist der Grenzübergang überhaupt kein Problem und wir rollen schlussendlich entspannt in einer Stunde über die Grenze. Lassen die EU hinter uns und reisen ein – in die Türkei. Türkei, das Vanlife-Land 2022?


Welcome to Turkey

Mit der Ausreise aus der EU und der Einreise in die Türkei gilt es ein paar organisatorische Dinge zu beachten und / oder als bald nach Einreise zu erledigen. Damit dem Vanlife-Traum in der Türkei auch nichts mehr im Wege steht.

KFZ-Versicherung für die Türkei für das Wohnmobil

Man sollte vorab prüfen ob die bestehende KFZ-Versicherung auch für die gesamte Türkei gültig ist. Das lässt sich schnell mit einem Blick auf die grüne (nun meist weiße) Versicherungskarte feststellen. Steht hinter dem Länderkennzeichen „TR“ ein Sternchen sollte man zudem ein Blick ins Kleingedruckte werfen. Viele Versicherungen decken nur den europäischen Teil der Türkei ab, nicht aber den asiatischen. Bei Einreise muss in diesem Fall dennoch eine zusätzliche türkische KFZ-Versicherung abgeschlossen werden. Auch sollte der Versicherungsschein noch gültig und bestenfalls auf den Namen eines der Fahrzeuginsassen ausgestellt sein. 

Sollte die Versicherung nicht die Türkei -vollständig- abdecken oder der Schein nicht mehr gültig sein, kann eine entsprechende Versicherung kurzfristig direkt an der türkischen Grenze erworben werden. 

Mobilfunk und Mobiles Internet in der Türkei

Während die meisten EU-Länder mittlerweile zur Länderklasse 1 gehören und somit zumindest im Rahmen der Fair Use Policy keine Roaming-Gebühren erhoben werden, fallen in der Türkei genau diese Gebühren an. Also erster Stop – türkische SIM Karte kaufen. Wir erwerben direkt hinter der Grenze in einem Shop unsere Türkcell-Karte. Der Anbieter wurde uns vorab empfohlen, da im Preis-Leistungsverhältnis der beste Anbieter, welcher zudem noch über eine solide Netzabdeckung verfügt. Selbstverständlich fallen direkt hinter der Grenze ein paar „Extragebühren“ an. Übrigens das letzte Mal, dass wir eine Karte an einem Grenzshop kaufen. Auch wir lernen aus unseren Erfahrungen. Auch wenn alle stets nett waren, den „Direkt-an-der-Grenze-shoppen“-Bonus müssen wir nicht zwingend ein zweites Mal zahlen. 

Gegebenenfalls nötige Länderaktivierung der Kreditkarte

Beim Zahlen der SIM Karte fällt uns auf, ups. Auch der europäische Teil der Türkei zählt für die DKB bereits zu Asien und die Türkei muss als Region gesondert frei geschalten werden. Der freundliche Shopbesitzer macht uns kurzerhand ein Hotspot auf. Im Onlinebanking die Karte kurz aktiviert und nun klappt es auch mit dem Bezahlen. Auch ein Learning. Seitdem checken wir vorab ob für unser nächstes Einreiseland eine Freischaltung nötig ist. 

Türkische Maut für Wohnmobile – HGS

Auf manchen türkischen Autobahnen und Schnellstraßen wird streckenabhängig Maut erhoben, das gilt auch für den Bosporustunnel sowie die Bosporusbrücken. 

Wer nicht grade über ein türkisches Konto verfügt, wird die Maut-Erfassung über den HGS-Klebestreifen oder die HGS-Mautkarte wählen. Die Karte beziehungsweise Streifen wird an den Mautstationen beim Durchfahren gescannt und der entsprechende Betrag wird vom HGS-Konto automatisch abgebucht. 

An der Grenze wurde uns mitgeteilt, dass die Station zum Erwerb des HGS-Streifen direkt hinter der Grenze sei. Als wir kilometerweiter, noch weit hinter dem Handykartenshop eine HGS-Station finden, nimmt diese nur Bargeld an. Teilt uns aber direkt mit, an der ersten Maut-Station sei Kartenzahlung möglich. Spoiler, diese Station gibt es nicht und Kartenzahlung war an keiner der Mautstationen, welche wir passiert haben, möglich. Nur Bares ist hier Wahres. Wer direkt eine Maut-Karte erwerben möchte, dem empfiehlt sich also an einem der Bankautomaten direkt hinter der Grenze die ersten türkischen Lira abzuheben. 

Bei der türkischen Post, kurz PTT, kann der HGS-Klebestreifen für die Windschutzscheibe tatsächlich erworben und das HGS-Konto aufgeladen werden. Zum Kauf empfiehlt es sich den Pass und den Fahrzeugschein bereit zu halten. Der Erwerb wäre auch bei den wenigen HGS-Büros möglich, diese gilt es aber erst zu finden. Die PTT-Filialen findet man eigentlich in jeder kleineren türkischen Stadt. Das Guthaben des HGS-Kontos abfragen und erneut aufladen, kann man sobald man den Streifen einmal erworben hat übrigens auch bequem online per App oder über die HGS-Website.

Sollte man nach Ankunft ohne Mautstreifen durch die ersten Stationen fahren oder mal ungenügend Geld auf dem HGS-Konto haben, ist dies übrigens kein Problem. Binnen sieben Tagen kann man seine Mautfehler nämlich an jeder PTT- oder HGS-Stelle straffrei beheben. 

Visum für die Türkei

Die Türkei ist kein Mitglied der EU, somit greift auch nicht die Schengenregelung. Mit deutscher Staatsbürgerschaft ist eine Aufenthalt für 90 Tage innerhalb 180 Tagen mit Visa on Arrival möglich. Diese 90 Tage werden wohl auch nachgehalten. Solltest du wissen, dass du länger als 90 Tage dieses wirklich große und vielfältige Land erkunden möchtest, solltest du dich frühestmöglich um ein gesondertes Visum bemühen. Ein Visarun ist durch die Regelung „in 180 Tagen“ so nicht möglich. Reist man ohne enges Zeitlimit oder ist Vollzeit-Vanlifer kann sich diese Beantragung eines „richtigen“ Türkei Visums lohnen.


Merhaba! Çay?

Was uns bald nach der Ankunft auffällt, ist die enorme Gastfreundschaft der türkischen Bevölkerung. So viel Tee wie hier haben wir lange nicht mehr getrunken. Kann man sich doch kaum vor Einladungen zum „Çay“ dem traditionellen türkischen Schwarztee retten. Irgendwann beschließen wir nur noch jede zweite Einladung anzunehmen um in unserem geplanten Reisetempo voran zu kommen. 

Begenungen und Erfahrungen in der Türkei

Stell dir vor, du fährst mit deinem Wohnmobil auf der Autobahn und jemand winkt dir – nicht weil er sich über deine Fahrtgeschwindigkeit echauffiert, sondern weil er dir Trauben schenken und dich zum Essen einladen möchte. Oder dich sprechen spät Abends Fischer an deinem Stellplatz an – nicht weil sie dich weg schicken möchten, sondern weil sie dich zu sich einladen. Um im eigenen Garten zu ernten und mit ihnen zu essen. Außerdem hätten sie Strom und Wasser. Oder wenn dich ein älteres Ehepaar am Strand anspricht, nicht weil sie es unmöglich finden, dass dort ein Camper steht. Sondern um dich zu sich nach Zuhause zu Tee und Essen einzuladen, dich zu beschenken und dir sogar die freistehende Wohnung anzubieten.

Stell dir vor du gehst in ein Krankenhaus um einen C-Test zu machen und ein angehender Arzt kommt direkt begeistert zu dir um sein Deutsch zu üben und begleitet dich überall hin, übersetzt für dich und hilft dir. Lädt dich sogar anschließend noch zum Frühstück ein und fragt ob er am kommenden Tag, obwohl er eigentlich frei hat, mitkommen soll um dir erneut zu helfen. Stell dir vor, du wartest vor dem Krankenhaus und plötzlich trinkst du mit der halben Belegschaft und dem Wachpersonal Tee, einfach so. Oder überleg mal, bei fast jedem Tankstellenbesuch gibt es noch einen obligatorischen Çay on top, kostenlos natürlich. Wie wäre es wenn du irgendwo stehst und suchst den Weg – plötzlich fragen dich fünf Menschen ob sie dir helfen können und zeigen dir natürlich gern den Weg, einfach so. Eben ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Außer eventuell, dass sie dich zum Çay einladen dürfen.

Genau das ist für uns die Türkei, ein Vanlife-Traum.


Welcome to Asia

Als wir das erste Mal in die Türkei einreisen, haben wir einen durchaus strafen Zeitplan. Drei Wochen später sind wir nämlich bereits in Tiflis, Georgien verabredet. Wir beschließen also auf „direktem“ Weg durch die Nordtürkei Richtung Georgien zu fahren. 

Die „neue“ nördlichste und meist staufreiste Brücke über den Bosporus ist somit unsere Wahl. Somit streifen wir Istanbul nur in den Randbezirken. Als wir über die Brücke rollen, wird uns plötzlich bewusst, dass wir gleich in Asien sind. In Asien. Mit dem Dicken. Nicht mit einem Flugzeug! Mit dem Dicken in Asien! Uns springt fast das Herz aus der Brust, so atemberaubend ist dieses Gefühl. „Welcome to Asia“, meint Jenni am Steuer mit einem Çay in der Hand als wir die Bosporus-Brücke passieren. Es fühlt sich gut an Europa nun den Rücken zu kehren, es fühlt sich nach Abenteuer und Freiheit an, es fühlt sich einfach richtig an. 

Let the adventure Asia begin. Let the good times roll. Vanlife Türkei – wir kommen.


Kleiner Schrauber-Abstecher in Ankara

Wir wählen den „direkten“ Weg. Gut mehr oder minder direkt. Von Beginn an ist ein Werkstattbesuch in Ankara bei Birol geplant. Birol der Freund eines Freundes und Spezialist auf deutschen Fabrikaten in Ankara ist unser Ziel. Öl- und Filterwechsel stehen an, dazu möchten wir Stoßdämpfer und Koppelstangen tauschen, die Spur einstellen, unsre Radlager checken lassen und einige kleinere Arbeiten durchführen. 

Das hier ist kein normaler anonymer Werkstattbesuch. Bei Birol wird man direkt mit aufgenommen, wird direkt selbst Freund und in die Kultur eingeführt. Den ersten Abend sind wir eingeladen zum Grillen mit Birols Freunden und reichlich Raki. Danach heißt es für uns „Freistehen“ vor der Werkstatt.

Für Flo das Highlight, dass er hier mitarbeiten darf, sich selbst die Hände dreckig machen kann.

Für uns ein fabelhafter Einstieg um die Türkei noch ein bisschen besser verstehen zu lernen. Wir sind dankbar für diese Erfahrung. 


Die Nordtürkei – Schwarzmeerküste und Anatolien 

Die Nordküste der Türkei lässt einen eher vermuten, man befindet sich im Schwarzwald anstatt in der Türkei. Dichte Wälder, hohe Berge, kühle Temperaturen und grüne Vegetation.

Unser Plan ist es so zügig wie möglich ab Ankara in Richtung Tiflis, Georgien zu fahren. Wir wollen die türkisch/georgische Grenze nehmen, die Tiflis am nächsten liegt. Wäre Planung unseres, hätten wir sicher vorab geprüft, welche Grenzen derzeit offen sind. So stellen wir eben an der Grenze fest, dass diese derzeit nur für den LKW-Verkehr geöffnet hat. Bis zur nächsten für den Personenverkehr geöffneten Grenze sind es für uns zwei Fahrtage.

Auf Umwegen entdeckt man aber bekanntlich die schönsten Orte. So entdecken wir die Regionen Erzurum, Kars und Ardahan für uns. Wunderschöne Bergregionen mit faszinierender Landschaft, Weiten und Felsformationen die uns immer wieder an die Westküste der USA erinnern. Unterwegs weit ab des Massentourismus, stehen wir an den einsamsten Plätzen frei, meist begleitet mit einem wunderschönem Panorama. Das ist für uns Vanlife in der Türkei.

Abenteuer beginnen da wo Pläne enden. Und manchmal kann es sich lohnen, nicht alles zu planen. Die Türkei ist für uns schon jetzt ganz klar ein Top-Vanlife-Ziel.


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